Chi Gong – Impressionen eines Seminars

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Chi Gong – die Arbeit mit der Lebenskraft. Eine uralte chinesische Methode zur Harmonisierung und Stärkung der Vitalität, die zudem anregend auf die Selbstheilungskräfte des Körpers wirkt. Regelmäßiges Üben baut Stress ab, fördert die innere Ruhe und unterstützt den Körper in seinem Streben nach Erhalt der Gesundheit.

So stand es in dem Prospekt der Münchner Kung Fu Schule. Großmeister Bucksam Kong, einer der bekanntesten Vertreter des Hung Gar Kung Fu und Sifu (Lehrer) von Meister Alan Baklayan, war zum alljährlichen Besuch in Deutschland. Das Seminar unter seiner Leitung fand in den Räumen der Schule statt, und da standen wir nun, die Teilnehmer – hoffnungsvolle Aspiranten für mehr Ausgeglichenheit und Entspannung, darunter auch meine Kollegin und ich.

In der Theorie waren wir natürlich bestens informiert – Chi Gong ist „in“, es gibt eine Vielzahl von Literatur darüber, und natürlich Workshops in rauer Menge von oft zweifelhafter Qualität. Von der inneren Lebenskraft, dem „Chi“ ist die Rede, von der Wichtigkeit seines Flusses ohne Blockaden, der für eine vitalere Ausstrahlung, Stressreduktion und die Erhaltung der Gesundheit sorgen soll. Doch wer kann dieses Wissen wirklich vermitteln? Der Ruf von Bucksam Kung als Größe im chinesischen Kampfsport stellt jedoch einen gewissen Glaubwürdigkeitsbonus dar – und wir wurden nicht enttäuscht.

Da stand er, ein kleiner, agiler und sehr lebendig wirkender Mann und erzählte uns zunächst, was Chi Gong bewirken kann, wenn man es sehr lange und täglich (!) übt. Von der Heilung einer Vielzahl von Krankheiten sprach er, die sich aufgrund einer unausgewogenen Lebensweise und stressbedingten Faktoren bilden, von der Entwicklung innerer Kraft und vom Sitz des Chi, dem Tan Tien, das sich etwa drei Zentimeter unterhalb des Bauchnabels befindet. Eine der ersten Übungen bestand daher in dem Versuch, ein wenig davon zu verspüren. Und hier schon die erste Hürde – wie soll man ein Energiezentrum spüren bei einer Atmung, die normalerweise nur bis zum Brustkorb reicht? Doch Bucksam Kong lächelte milde und ließ uns zunächst locker und entspannt stehen. Dann lehrte er uns, wie man richtig atmet – nämlich tief in den Unterbauch, und zwar beim Einatmen mit leichtem Zungendruck auf dem Gaumen und beim Ausatmen mit geöffnetem Mund. Zudem solle man sich den Weg der Atmung vorstellen – den Kreislauf, den die eingeatmete Luft auf ihrem Weg ins Zentrum des Chi beschreibt.

Und seltsam – auf einmal hatte man den Eindruck, zum ersten Mal in seinem Leben richtig zu atmen! Zugegeben, bei so viel Sauerstoff (..oder war das vielleicht sogar schon das Chi..?) wurde einem zunächst etwas schwindlig. Doch schon bald kamen zur Atmung ruhige, einfach durchzuführende Körperbewegungen hinzu, die schnell wieder stabilisierten. Das anfangs noch neugierige Hinüberschielen zu den anderen Teilnehmern (..wie stehen die denn da?) wurde rasch uninteressant. Viel wichtiger waren jetzt diese neue Art der Körperwahrnehmung und die Konzentration auf die eigene Atmung, ohne innerlich abzuschweifen. Eine echte Herausforderung in unserer Zeit – Besinnung auf das Wesentliche, ohne Ablenkung, einfach „nur“ atmen und in sich hineinhorchen…

Beeindruckend auch die Übungen, die bei zu hohem oder zu niedrigem Blutdruck empfohlen wurden – nur kleine Abweichungen in der Ausführung, aber ein deutlich spürbarer Unterschied in der Wirkung.

Nach Beendigung des Seminars ein Blick durch die Runde – überall ruhige Gesichter und entspannte Körperhaltungen. Wer vorher noch mit verschränkten Armen und kritischem Blick dastand, dessen Antlitz spiegelte jetzt Ruhe und Sammlung wieder. Alle Fragen wurden im Anschluss von Meister Bucksam Kong beantwortet – allerdings gab es gar nicht viele. Ich glaube, fast jeder fühlte die Wohltat dieses entspannten, aber lebendigen Zustands und wollte ihn nicht durch spitzfindige Klügeleien vorschnell zunichte machen. Das passiert ja leider ganz von allein, kaum hat einen das „normale Leben“ wieder!

Doch ein Eindruck bleibt – es ist möglich, auf diesem Weg ein wenig zu sich zurück zu kehren und der Alltagshektik zumindest für eine Weile zu entkommen. Doch ohne Bemühung geht es nicht – Chi Gong ist eine große Hilfe, aber tun muß man es selbst…

Christine Gruber